Wie kann das sein? Tierbesitzer neigen oft dazu, des Guten zu viel zu tun. Wir als Therapeuten bekommen Patienten, die Schwierigkeiten haben, weil alles viel zu gut gemeint war!
Zu viel Liebe? Zu viel (Für-)sorge? Zu viel Kontrolle? Zu viel Ausrüstung? Zu viel Futter? Zu viele Zusätze?
Fangen wir beim Grundlegenden an – dem Futter: Es gibt viele Besitzer, die sich wirklich Gedanken machen, welches Futter für ihr Tier wohl das Beste ist – sie geben viel Geld aus, um teures Spezialfutter zu kaufen (ungeachtet der Tatsache, ob es auch wirklich gut ist), sie versuchen jeden Tag eine andere Sorte, sie kochen selbst, sie barfen und geben sich alle erdenkliche Mühe, es richtigzumachen. Ständig probieren sie etwas Neues aus – dadurch bringen sie sehr viel Unordnung in den Magen-/Darmtrakt ihres Vierbeiners, mit der Folge, dass schlecht gefressen wird und Verdauungsprobleme entstehen.
Da hilft dann nur, sich auf ganz wenige, reine Futtermittel zu beschränken und zu testen, was das Tier tatsächlich verträgt, um dann dabei zu bleiben und nur einzeln nach längerer Zeit ein weiteres Futtermittel dazu zu nehmen.
Getoppt wird die ganze Geschichte nur, wenn zu den normalen Mahlzeiten auch noch jede Menge Leckereien kommen, die über den Tag verteilt eine ganz ordentliche Menge ergeben können – Übergewicht ist immer schlecht! Ganz abgesehen davon, von welcher Qualität die Leckereien sind!
Klappt die Versorgung mit Futter, liegt es oft an einem Zuviel von gutgläubig und nicht hinterfragt gegebenen Zusätzen. Da wird hier gelesen, dort gehört, von Bekannten empfohlen, im Internet gefunden – da bekommt der Hund täglich sein Fischöl, seine Kräutermix-Kur, sein Mineralfutter, seine Gelenkkur, etwas fürs Immunsystem, etc. – da kann es durchaus passieren, dass der Verdauungstrakt streikt – der Hund ist nicht krank, er bekommt einfach zu viel verschiedene Zusätze dazu.
Das Gleiche gilt fürs Pferd – da wird gern eingekauft im Fachhandel, im Internet und auf Veranstaltungen – frei nach dem Motto „viel hilft viel“ wird hier großzügig doppelt und dreifach gefüttert, was nur einmal in den Futtertrog gehört und nicht alles ist auch für jedes Pferd geeignet. Das gleiche Phänomen beobachtet man bei Kräuterzusätzen, die oft wirklich wahllos gemischt dem Pferd gegeben werden.
Weiter geht es mit Ausrüstung und Zubehör: Es muss immer toll ausschauen – es ist auch nichts zu teuer! Da bekommen Hunde Geschirre verpasst, unter denen der Hund fast verschwindet, welche die Schulter manchmal so einengen, dass er sich nicht mehr richtig bewegen kann. Beim Pferd ist es noch viel extremer. Immer auf dem neuesten Stand der Mode, egal ob sinnvoll oder nicht – da werden dem Pferd dann auch im Winter seine Fliegenohren zum Reiten aufgesetzt (passt farblich zu den Bandagen oder Gamaschen, die es wahrscheinlich auch nicht bräuchte), ganz abgesehen von dem breiten Spektrum an Decken für Pferde, die der Markt so bietet – manchmal weiß ich nicht, wie es Pferde vor 30 Jahren geschafft haben, ohne Hightech-Decken zu überleben…
Je mehr Riemen, Gurte, Schnallen und Spezialgebisse an dieses Tier gebaut werden, umso glücklicher ist der Besitzer – ob das alles sinnvoll ist oder nicht, ob es drückt, reibt, piekst oder schrubbt, die Bewegung behindert, einengt, belastet oder wehtut – es wird gnadenlos verwendet.
Der Sattel ist ein ganz eigenes Thema – wichtig ist, dass ein Sattel optimal auf den Pferderücken passt und der Besitzer gut darauf sitzen kann. Alles andere macht keinen Sinn. Die Unterlage muss nicht modern sein, sondern zweckmäßig und gut gepolstert.
Hufeisen und Spezialbeschläge sind bei manchen Pferden sicher nötig, aber warum müssen Pferde, die nur auf weichem Boden laufen, trotz guten Hufhorns Eisen haben, die den Hufmechanismus unter Umständen einschränken und damit Durchblutungsstörungen verursachen und Krankheiten des Bewegungsapparates Tür und Tor öffnen.
Pflegemittel werden ebenfalls völlig kritiklos und nicht hinterfragt aufs Pferd gebracht – egal was die Industrie an Waschungen, Lotionen, Sprays und Fliegenmitteln auf den Markt bringt – rauf aufs Pferd und das in rauen Mengen bis hin zu Fliegendecken, die bereits mit Giftstoffen imprägniert sind!
Wie viel Freiheit schenkt der Besitzer seinem Tier? Warum wird das Leistungspferd nur in Box und Paddock gehalten oder auf einer Mini-Koppel, noch allein dazu? Damit es ein vermindertes Verletzungsrisiko hat?! Was ist, wenn es vor lauter Übermut und Einschränkung der freien Bewegung in seinem Minipaddock und auf seiner Miniwiese im Kreis galoppiert und Haken schlägt? Die Verletzungsgefahr ist deutlich höher als in einer gesunden und gewachsenen Herde und artgerechte Bewegung sieht anders aus.
Was ist mit den Hunden, die nie die Möglichkeit haben, sich ohne Leine frei zu bewegen? Ist das im freien Gelände nicht möglich, muss dafür in einem geschützten Rahmen gesorgt werden.
Ebenso Katzen, die nur in der Wohnung gehalten werden? Es gibt sicher Lebensumstände, in denen es nicht anders geht, aber sich bewusst Wohnungskatzen anzuschaffen, ist die Entscheidung über ein Leben in Gefangenschaft für ein freiheitsliebendes Tier – das kann durch Zuwendung und Liebe nicht ausgeglichen werden. Das muss vorher gut überlegt werden! Egoismus ist der falsche Ratgeber.
Ganz zu schweigen von den vielen kleinen Tieren wie Kaninchen, Meerschweinchen und Vögeln, die ihr Leben lang in engen Käfigen und Behausungen gehalten werden – es könnte ihnen ja etwas zustoßen außerhalb des Käfigs….
Das alles fällt unter den breiten Begriff der Fürsorge für ein Tier, die selbstverständlich ist, aber bei manchen Besitzern doch in allzu große Sorge ausartet und damit viel Schaden anrichtet.
Das gilt auch für Krankheiten – ein Tier darf auch einmal krank sein, ohne dass man es gleich durch die komplette Diagnostikabteilung einer Klinik jagt – das darf nicht missverstanden werden, diese Möglichkeit soll und muss in Anspruch genommen werden, wenn es notwendig ist, aber nicht bei jeder Kleinigkeit, die am anderen Tag schon fast wieder vergessen ist.
Zuletzt das Thema Liebe. Wir alle freuen uns, wenn ein Tier geliebt wird – aber wir unterscheiden die bedingungslose Liebe, die keine Ansprüche stellt, und die egoistische Liebe. Vermeintliche Liebe kann Lebewesen erdrücken und ersticken, sie sterben unter dem Erwartungsdruck und der Einengung. Auch das müssen wir als Therapeuten erkennen.
Wir müssen aufmerksam sein, gut beobachten, wahrnehmen und regulierend eingreifen, damit Tiere durch das Zuviel, an was auch immer, nicht krank werden. Wenn es schon passiert ist, haben wir die Möglichkeit, vieles auf ein normales Maß zurückzuschrauben und die Sensibilität für das Wesentliche zu schulen. Dann haben wir eine gute Grundlage für unsere Therapien, die damit auch dauerhafte Heilung bewirken können.
Anita Ruckriegel
Tierheilpraktikerin
Atropa Akademie